US-Präsidentschaftskandidat Bush im Kampf
gegen parodistische Website
Florian Rötzer 29.11.1999
Politik im Zeitalter des Internet
Politik im Zeitalter des Internet kann
etwas schwerer sein, als dies früher der Fall gewesen ist. Bislang
konnten vornehmlich Parteien und in den USA etwa die
Präsidentschaftskandidaten eine nationale Kampagne mit Werbung in
den Medien und Plakaten im öffentlichen Raum führen, während
Kritikern in aller Regel dazu das notwendige Geld fehlte und sie
höchstens lokal agieren konnten. Jetzt aber hat jeder die
Möglichkeit, seine Kritik an Politikern oder Parteien ins Netz und
damit in eine globale Öffentlichkeit zu stellen. Und manchmal findet
eine solche Website auch eine große Aufmerksamkeit.
Das Cracken und Verändern einer Website ist nicht
nur wegen der Konsequenzen gefährlich, sondern führt auch
bestenfalls nur zu einer vorübergehenden Öffentlichkeit. Viel
wirkungsvoller können die Websites sein, die - überdies mit einer
ähnlichen URL wie die aufs Ziel genommenen - deren Inhalte benutzen
und sie parodieren. Mittlerweile sind solche Websites in den USA zum
Teil des Wahlkampfes geworden. Die größte Aufmerksamkeit allerdings
hat die parodistische Website gwbush.com gefunden, gestaltet von
der Gruppe RTMARK, die sich als eine Werbeagentur
mit subversiven Auftrag versteht, gerade weil
Präsidentschaftskandidat George W. Bush (offizielle Website: georgebush.com) alles daran
setzt, sie wieder aus der Welt zu bringen.
Schon vor dem Start der Kandidatur hat Bush eine ganze Reihe von
URLs registriert, die ihm irgendwie schaden könnten. Das war noch
billig, aber als Zack Exley, einen Programmierer und der Besitzer
von gwbush.com, gefragt wurde, ob er sie verkaufen würde, verlangte
dieser erst einmal 300000 Dollar. Auch als er den Preis auf 80000
Dollar verminderte, war dies Bush offenbar das Geld nicht wert.
Allerdings beging er bereits im Mai, als man ihn fragte, was er von
der Website hält, einen Fehler und ließ sich hinreißen, deren
Besitzer als "garbage man" zu bezeichnen und dann noch hinzuzufügen,
dass es doch auch "Grenzen der Freiheit" geben müsste.
Das lenkte denn erst recht die Aufmerksamkeit auf
die Website, die Bush so stört. Überdies versuchen dessen Anwälte
mit juristischen Tricks die
störende Site aus der Welt zu bringen. Vielleicht warten die anderen
Parodierten, darunter Al Gore ( algore-2000.org), Pat
Buchanan ( buchanan2000.com) oder
Hillary Clinton ( hillaryno.com) jetzt erst
einmal ab, welchen Erfolg oder Misserfolg diese Versuche haben,
gegen die im Web mögliche Konkurrenz von Widersachern vorzugehen und
so die Stimme des Volkes zu dämpfen.
So wurde eine Beschwerde bei der Federal Election
Commission eingereicht und Exley beschuldigt, bestehende Gesetze
nicht zu einzuhalten. Seine Website habe den Status eines
politischen Komitees und müsste daher registriert werden. Natürlich
bestreiten die Anwälte, dass es sich bei ihrem Vorgehen gegen die
ungeliebte Website um einen Fall des Rechts auf freie
Meinungsäußerung handelt. Es gehe überhaupt nicht darum, die Website
zu schließen, meinte etwa Bushanwalt Benjamin Ginsberg. Die
Pressesprecherin von Bush, Karen Hughes, versuchte daher auch auf
ein anderes Feld auszuweichen und unterstellte, dass sich auf der
Parodiewebsite Links zu pornographischen Angeboten finden ließen.
Und dann wirft man Exley noch Verstöße gegen das Copyright vor, weil
er Bilder von der offiziellen Website genommen habe.
Immerhin hat es Bush so geschafft, dass gwbush.com seit Mai
bereits eine Million Visits verbuchen kann. Inzwischen haben die
Betreiber der Website überdies die günstige Chance ausgenutzt und
einen Aufruf - " The first 'independent expenditure' ad campaign By
And For The People!" - gestartet, für Anti-Bush-Anzeigen zu spenden:
"Das Kaufen von Sendezeit ist jetzt die vorherrschende Form des
politischen Ausdrucks. Big Business hat sich für G.W. als Kandidaten
entschieden und ihm 70 Millionen Dollar gegeben, um den Medienkrieg
bis zum November 2024 zu dominieren. Wenn alles ideal wäre, dann
sollte Geld aus der Politik herausgehalten werden. Doch lasst uns
bis zu dieser Zeit das Feuer durch Feuer bekämpfen. Produzieren und
finanzieren wir unsere eigenen Fernseh- und Radiowerbungen, um die
Wahrheit über Bush mitzuteilen. Das Web macht diese Art der
Kooperation einfach." Man kann über die Website seine Bereitschaft
kundtun, eine Spende für eine Werbung zu machen. Der Beitrag wird
aber erst abgebucht, wenn genügend Gelder zusammen gekommen sind.
Das würde die politischen Kampagnen in Zukunft "revolutionieren" und
sich allgemein durchsetzen, versprechen die Betreiber.